Fußball: Sami Khedira hat konzentriert und diszipliniert auf seinen bisher größten Erfolg hingearbeitet
Damals ist er 21 Jahre alt, Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart sowie U-21-Europameister und doch weit entfernt von Jogi Löws Truppe. Dennoch sitzt er ganz entspannt im Freizeitbereich des Berufsbildungswerks (BBW) Waiblingen, in dem er seinen Zivildienst ableistet, und sagt: „Mir reicht es nicht, nur Nationalspieler zu sein.“
Das klingt arrogant – und ist es doch nicht im mindesten. Sami Khedira wirkt hier schon, als wäre er zehn Jahre älter, reifer; nachdenklich, ernst und selbstsicher. Der Oeffinger will hoch hinaus und steht dennoch mit den Beinen fest auf dem Boden.
Weitere zwei Jahre zuvor, im Dezember 2006 nach seinen ersten Einsätzen in der Bundesliga und großer Aufregung um den Jungstar, hat er gesagt: „Ich habe erst acht Bundesligaspiele gemacht. Da heißt es, den Ball flach zu halten. Aber die Gefahr ist immer da abzuheben. Deshalb ist es ganz wichtig, dass man eine Familie hat, die einen immer wieder zurückholt.“
Die Familie war ihm immer wichtig, genauso Oeffingen. „Dort fühle ich mich einfach heimisch.“ Das war 2006. Ob das immer noch so ist? Mittlerweile ist er in der ganzen Welt unterwegs, seine Wurzeln bleiben dennoch im Rems-Murr-Kreis. Immer wieder wird er in Oeffingen gesehen, er trifft sich mit alten Freunden und taucht bei Heimspielen des TV Oeffingen auf. Außerdem baut er am Ortsrand ein Haus.
2009, als er auf dem durchgesessenen Sofa im BBW sitzt und schon Deutscher Meister ist, denkt er jedoch weit über den Kreis hinaus. „Es gibt so viele Dinge, die man noch erreichen kann. Die Champions League zum Beispiel.“ Fünf Jahre später hat er alle Ziele erreicht. Spanischer Meister, Pokalsieger und Champions-League-Sieger mit Real Madrid, Weltmeister mit Deutschland.
Immer wieder zurück zu den Oeffinger Wurzeln
Begonnen hat er in der F-Jugend des TV Oeffingen. „Wenn Sami dabei war, haben wir immer gewonnen“, wird Roland Ihring, sein Trainer damals, in der Fellbacher Zeitung zitiert. „Wenn ich ihn spielen sah, hatte ich manchmal das Gefühl, als hätte er drei Lungen.“ Khediras Gedanken sind auch am 11. März 2009 im Rems-Murr-Kreis, genauer gesagt in Winnenden. Nach dem VfB-Training erfährt er vom Amoklauf an der Albertville-Realschule, bei dem 16 Menschen sterben. Sofort macht er sich Sorgen um seine Freundin und einen seiner Brüder, die in Waiblingen zur Schule gehen. „Ich habe sofort zum Handy gegriffen.“ Trotz striktem Handyverbot auf dem VfB-Gelände. Schließlich sei nicht klar gewesen, ob der Täter womöglich noch an anderen Schulen auftaucht. Der Amoklauf, sagt Sami Khedira damals, zeige, wie schnell sich das Leben völlig verändern kann. „Deshalb muss man jeden Tag sinnvoll leben.“
Das hat er getan. Konzentriert, diszipliniert, erfolgreich. Mit der U 19 Europameister, mit der A-Nationalmannschaft Weltmeister. Jetzt überlegen sie in Fellbach, wie sie den berühmten Sohn der Stadt empfangen können; wenn er erst mal Zeit für einen Besuch hat. Die Verantwortlichen der Stadt Fellbach sind in Kontakt mit dem TV Oeffingen und der Familie. Ein Termin ist allerdings noch nicht in Aussicht. Andere denken schon an ein Sami-Khedira-Stadion in Oeffingen.
Soweit ist es noch lange nicht. Sami Khedira macht nun erst einmal Urlaub. Dann wechselt er womöglich in die englische Premier League. Arsenal London hat Interesse.
Da wird die Zeit knapp. Ganz sicher auch die für ein besonderes Hobby. „Meine Lieblingsbeschäftigung“, sagte er damals auf dem Sofa im BBW, „das ist – ganz im Ernst – Kegeln.“